Die Geschichte des ESC

Der Eurovision Song Contest ist einer der ältesten und größten Musikwettbewerbe der Welt. Seit seiner Gründung im Jahr 1956 hat er sich zu einem der größten Fernsehereignisse Europas entwickelt. Veranstaltet von der EBU – der European Broadcasting Union, einem Zusammenschluss von 73 Rundfunkanstalten aus 56 Ländern – erreicht der ESC mittlerweile circa 200 Millionen Zuschauer.

Die Idee zu dem Wettstreit kam von dem Schweizer Marcel Bezençon, der im Jahr 1955 den Vorsitz der Programmkommission der EBU hatte. Der Eurovision Song Contest wurde gegründet, um den Zusammenhalt zwischen den europäischen Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg zu stärken. Der Wettbewerb sollte dazu beitragen, die kulturellen Unterschiede zu überbrücken und die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den Ländern und somit auch den Frieden zu fördern.

ESC

Die ersten Jahre des ESC

1956, im ersten Jahr des Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne, wie er bis 1973 hieß, nahmen nur sieben Länder teil: die Niederlande, die Schweiz, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien und Luxemburg. Der Wettbewerb wurde primär im Radio übertragen, da das Fernsehen noch nicht vielen Menschen zugänglich war. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer traten live auf der Bühne auf und wurden von einer Jury vor Ort bewertet. Am Ende wurde der Gewinner bekanntgegeben, alle anderen Platzierungen wurden nicht veröffentlicht.

Im Laufe der Jahre wuchs die Popularität des Eurovision Song Contest kontinuierlich, und immer mehr Länder schlossen sich dem Wettbewerb an. Mit der Einführung des Fernsehens als primäres Übertragungsmedium in den 1960er Jahren erreichte der ESC ein noch größeres Publikum. Die Zuschauerinnen und Zuschauer konnten nun nicht nur die musikalischen Darbietungen hören, sondern auch die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne sehen. Die Performances wurden aufwändiger und imposanter, und der Wettbewerb entwickelte sich zu einem echten visuellen Spektakel.

„Der Eurovision Song Contest besitzt innerhalb des alltäglichen Fernsehgeschehens eine singuläre Stellung, die mit sportlichen Großereignissen (…) vergleichbar ist.“ 1Wolther, I. (2006). Kampf der Kulturen – Der Eurovision Song Contest als Mittel national-kultureller Repräsentation. Königshausen & Neumann. S.54

Der ESC war von Anfang an ein Spiegelbild der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Europa. In den 1960er Jahren symbolisierte der Wettbewerb die zunehmende Liberalisierung und den kulturellen Wandel in Europa.

In den 1970er Jahren wurde er zu einem echten Pop-Phänomen. Der Wettbewerb wurde ein Sprungbrett für viele junge Künstler, die später zu gefeierten Stars wurden.

Abba

ABBA (1976)2doblecachanilla  https://www.flickr.com/photos/27779106@N02/

Bekannte Gewinner/innen des ESC

Zu den bekanntesten Gewinnern gehört zweifellos die schwedische Band ABBA. Mit ihrem Hit „Waterloo“ eroberten sie 1974 nicht nur die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer, sondern starteten auch ihre weltweite Erfolgsgeschichte.

1988 gewann Celine Dion den Eurovision Song Contest für die Schweiz. Der Sieg legte den Grundstein für ihre spätere Weltkarriere. 

Johnny Logan ist der einzige Künstler, der den Eurovision Song Contest sowohl als Interpret als auch als Komponist gewonnen hat. Er war zunächst 1980 mit „What’s Another Year“ und dann 1987 mit „Hold Me Now“ erfolgreich.

Conchita Wurst, die mit bürgerlichem Namen Tom Neuwirth heißt, wurde zum Star des ESC 2014. Mit ihrem kraftvollen und symbolträchtigen Song „Rise Like a Phoenix“ gewann sie die Herzen der Menschen und wurde zu einem Symbol für Toleranz und Vielfalt.

Eine der ungewöhnlichsten Gewinnerbands des Wettbewerbs ist Lordi aus Finnland. Mit ihrem Song „Hard Rock Hallelujah“ sorgten sie für Aufsehen und gewannen 2006 den Contest.

Kritik am ESC

Der ESC, von vielen gefeiert und besonders in skandinavischen Ländern einem Feiertag gleich, steht aber auch immer wieder in der Kritik. Ein wiederkehrender Vorwurf ist, dass Länder sich gegenseitig bevorzugen oder benachteiligen, basierend auf politischen Allianzen oder Konflikten. Einige Kritiker bemängeln, dass kommerzielle und oberflächliche Songs oft bevorzugt werden, während künstlerisch anspruchsvollere Beiträge benachteiligt werden. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Trend verstärkt, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Lieder auf Englisch präsentieren, auch wenn dies nicht ihre Muttersprache ist. Dies hat zu der Kritik geführt, dass die sprachliche Vielfalt, die einst ein Markenzeichen des Wettbewerbs war, verloren geht und die Lieder austauschbarer werden. Außerdem wird dem ESC Kommerzialisierung vorgeworfen und dass es mehr um den Unterhaltungswert geht, als um die Förderung musikalischer Vielfalt.

Ein wesentlicher Faktor der Dynamik dieses Wettbewerbes ist die nationale bzw. kulturelle Identifikation. Dazu schreibt Jan Feddersen:

„[D]er Song Contest [lebt] von dieser seltsamen Dialektik, dass er vorspiegelt, die europäische Integration zu fördern und niemanden ausgrenzen zu wollen, andererseits aber die nationalen Interessen, beispielsweise mit der Präsentation der Länderflaggen, zuspitzt: Nicht mehr in erster Linie ein Song gewinnt, sondern ein Land.“3Feddersen, J. (2002): Ein Lied kann eine Brücke sein: die deutsche und internationale Geschichte des Grand Prix Eurovision. Hoffmann und Campe. S. 32

Teilnehmen dürfen übrigens alle Länder, die Mitglied in der European Broadcast Union sind. Das sind neben den meisten europäischen Ländern auch einige nichteuropäische Länder im Mittelmeerraum. Außerdem darf seit 2015 auch Australien teilnehmen, da die Beliebtheit dort besonders hoch ist. Mittlerweile erreicht der ESC ein Publikum von mehreren hundert Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern weltweit.

Das weckt natürlich das Interesse vieler Wissenschaftler, sich dieses popkulturelle Phänomen genauer anzusehen. Studien und wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem ESC füllen mittlerweile viele Buchseiten. Sehr zu empfehlen ist die Dissertation von Irving Wolther und unterschiedliche Abhandlungen von Jan Feddersen.

Offizielle Seite des ESC: https://eurovision.tv/about/how-it-works 

Europas Wettbewerb – Rezension zu Karen Fricker / Milija Gluhovic (Hg.), »Performing the ›New‹ Europe. Identities, Feelings, and Politics in the Eurovision Song Contest«: https://pop-zeitschrift.de/2014/06/17/europas-wettbewerb-rezension-zu-karen-fricker-milija-gluhovic-hg-performing-the-new-europe-identities-feelings-and-politics-in-the-eurovision-song-contestvon-chr/

Buch von Irving Wolther „Kampf der Kulturen. Der Eurovision Song Contest als Mittel national-kultureller Repräsentation“: https://verlag.koenigshausen-neumann.de/product/9783826033575-kampf-der-kulturen/

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Quellenverzeichnis